DIE HOFFNUNG STIRBT … ZUERST!?
WIESO EINE FÜHRUNGSKRAFT KEINE HOFFNUNG MEHR HABEN SOLLTE – UND GUT DAMIT FÄHRT
Nein – die Hoffnung stirbt nicht zuerst. Auch nicht zuletzt, wie ein geflügeltes Wort sagt. Die Wahrheit ist: Die Hoffnung stirbt überhaupt nicht. Sie hat nicht mal Alterserscheinungen, sie bleibt immer frisch.
Das ist auch bei der Mitarbeiterführung so. Die Hoffnung, irgendwann mal ein Team zu haben, das miteinander funktioniert, reibungslos arbeitet und tut, wofür es eigentlich da ist. Die Hoffnung darauf geben Sie nicht auf. Vorher wechseln Sie Ihr Team aus, setzen Qualitätsstandards um, nutzen Bindungsstrategien, … Immer verbunden mit der Hoffnung: „Jetzt wird’s so, wie ich es immer wollte!“: Ein Team, getragen vom Miteinander, ohne Konflikte – Mitarbeitende, die mich verstehen, fleißig an den Unternehmenszielen arbeiten und jeden Tag glücklich nach Hause gehen.
Na, klingelt da was bei Ihnen? Haben Sie das schon mal erlebt? Nein, natürlich nicht. Ich kenne auch niemanden. Ich kenne aus meinen Coachings nur viele Menschen in Führungsverantwortung, die seit Jahren darauf warten, endlich in diesen ersehnten Zustand zu kommen, um nicht mehr so viel Kraft für Kleinigkeiten aufwenden zu müssen.
Der eine versteht‘s nicht, der andere wird nicht fertig, der dritte hat ein Problem mit dem vierten und der fünfte hat schon wieder vergessen, was der erste von ihm wollte. Sie kennen das gut, es ist mühsam, immer dieselbe Leier. Aber die Hoffnung bleibt. Sie wird immer wieder modernisiert, mit neuen Begriffen, Methoden und Instrumenten sowie Beratungen zu neuen Teamprozessen. Dadurch wird sie weder alt noch krank – und sterben tut sie schon gar nicht. Manche Führungskräfte wechseln ihren Arbeitgeber oder ihr Team zum dritten, vierten oder x-ten Mal, stehen kurz vor der Rente und geben diese Hoffnung selbst nach 40 Jahren nicht auf. Unglaublich! Ich finde, das ist einen neuen Blick wert, so geht das doch nicht weiter! Diese Einstellung raubt so viel Ihrer Energie. Das geht anders, ich versprech‘s Ihnen!
Zunächst wählen wir die Perspektive der selbsterfüllenden Prophezeiung:
Jeder Gedanke verwirklicht seinen eigenen Inhalt. Worauf ich meine Aufmerksamkeit richte, das wird mir widerfahren. Wenn ich versuchen will, mit dem Rauchen aufzuhören, dann werde ich es versuchen – aber mehr auch nicht. Ebenso verhält es sich mit Abnehmen, Sport machen usw. Sie kennen das: „Ich habe es ja versucht, aber…“ Wer hingegen sagt: „Ich werde aufhören zu rauchen“, der tut es einfach, ob noch fünf Zigaretten in der Schachtel sind oder nicht. Wer entschlossen ist, Gewicht abzunehmen, der tut es. Und wer sich vornimmt, Sport zu treiben, der treibt Sport. Götz Werner, der Gründer von dm, hat einmal gesagt: „Wer will, findet Wege; wer nicht will, findet Argumente.“
Bezogen auf die Hoffnung bedeutet das:
Wer Hoffnung hat, wird Hoffnung behalten. Und zwar sein ganzes (Arbeits-)Leben lang – „Ich hoffe, ich werde erfolgreich sein.“ „Ich hoffe, ich werde mal ein perfektes Team leiten.“ Ich hoffe und hoffe… Und genau das passiert: Wenn Sie nur an Hoffnung denken, dann verwirklicht sich auch nur diese. Es ist also an der Zeit, anders (oder etwas Anderes) zu denken, wenn etwas Anderes passieren soll. Ist die Hoffnung auf ein perfektes Team ohne Konflikte, Missverständnisse und schlechte Laune überhaupt berechtigt? Nein, gibt es nicht, kann es gar nicht geben. Sie wissen das und Ihr Team weiß es auch. Aber die Hoffnung wird man ja wohl noch haben dürfen. So hoffen manche einfach weiter und jagen einer Fantasie nach. Weil die Hoffnung so schön ist. Wer daran festhalten möchte, dem empfehle ich, den Text jetzt beiseite zu legen. Wenn Sie aber denken, es soll aufhören, es muss anders werden, dann lesen Sie weiter! Aber nur dann.
Perfekte, stets im Gleichklang arbeitende Teams gibt es nicht
Und das muss man zuerst akzeptieren, statt darauf zu hoffen und zu warten, diesen Zustand irgendwann zu erreichen. Sehen Sie sich stattdessen doch einmal Ihr Team an:
Unterschiedliche Menschen, unterschiedlich alt, unterschiedlich ausgebildet. Jeder ist anders aufgewachsen, mit anderen Erfahrungen in anderen Familien, mit anderen Zielen, Wünschen und Bedürfnissen. Alles, wirklich alles, ist doch anders. Auch Sie als ChefIn, mit Ihren persönlichen Erfahrungen und Wünschen, mit den Unternehmenszielen im Nacken. So viele Unterschiede.
Woher kommt die Hoffnung, dass diese die Arbeitssituation nicht beeinflussen? Dass hier alle gleich schwingen und miteinander und mit der Führungsebene in Harmonie sind? Wer sich das fragt, muss sich doch wundern. Ich zumindest habe mich gewundert, als ich mir dies klargemacht habe. Es kann doch gar nicht immer harmonisch und ohne Auseinandersetzung vonstattengehen. Menschen, die viel miteinander zu tun haben und sich nahe kommen, die kommen an persönliche, körperliche oder psychische Grenzen. Sie wollen sich durchsetzen, mehr (oder weniger) zu sagen haben, gelobt werden, Karriere machen und einen sicheren Arbeitsplatz – mit unterschiedlichen Schwerpunkten.
Kurzum
Konflikte, Reibungen und das Ausloten von Grenzen gehören dazu, sie sind unvermeidlich. Sie werden sagen: „Weiß ich doch alles. Ist ja nicht wirklich neu“. Glaube ich Ihnen. Vielleicht ist es aber neu, es nicht nur zu verstehen, sondern es wirklich anzunehmen und damit umzugehen. Dann wird deutlich, was möglich ist, wenn dieser Gedanke als Haltung verinnerlicht wird. Wenn das gelingt, kommt es zu einer Erleichterung, zu mehr Energie bei Ihnen und bei Ihrem Team. Denn wenn Sie Ihre MitarbeiterInnen mit anderen Augen sehen, wird sich etwas ändern. Probieren Sie es doch einfach mal aus. Gehen Sie morgen ins Büro und nehmen Sie sich vor, die Menschen dort so anzuschauen, als würden Sie sie zum ersten Mal sehen. Schauen Sie hin: Wo sind die Unterschiede? Wo gibt es etwas zu entdecken, das Sie noch nie wahrgenommen haben? Bestimmt gibt es bei jedem mindestens eine Sache. Das Wahrnehmen von Heterogenität kann der erste Schritt zu mehr Energie und mehr Miteinander sein. Der zweite ist das Annehmen der Unterschiedlichkeit, wodurch Sie sich nicht mehr über Alltagszustände ärgern werden. Und dann können Sie mit dieser Energie etwas Neues starten.
Als Erstes vielleicht, die Hoffnung sterben zu lassen.